Homeoffice – ein Modell der Zukunft? Zwei Gründe dafür und zwei dagegen
[von Patrick Tegethoff]
[von Patrick Tegethoff]
Homeoffice, ach wie schön…irgendetwas Gutes muss diese Coronasituation ja haben. Generationen von Buchhaltern, Sekretärinnen und Verwaltungsangestellten haben nächtelang davon geträumt und nun ist es soweit. Arbeiten? Schon, aber das geht auch von Zuhause aus. Ein Thema, über das jahrelang, zumindest gefühlt, nicht einmal nachgedacht werden durfte, ist innerhalb weniger Wochen in ganz Deutschland zur Realität geworden. Was diese Entwicklung für uns bedeutet, ob es wirklich nur toll ist, diese neuen Freiheiten zu haben und was es mit der Gesellschaft macht…das wollen wir in diesem kurzen Faktencheck nun ergründen.
Bringt Flexibilität. Wir sind doch sooo modern geworden. Fahrrad wird mittlerweile auf den Straßen gefahren, Freunde trifft man heutzutage nur noch online und der nächste Arztbesuch findet möglicherweise auch digital statt. Die Tatsache, dass wir jeden Morgen aufbrechen, um uns im Büro der Firma an den PC zu setzen, obwohl wir dies ganz ohne Abstriche auch von Zuhause aus tun könnten, wirkt da doch sehr veraltet. Im Homeoffice können Mitarbeiter ihre Arbeit oftmals genauso effizient verrichten wie im Büro und nebenbei auch mal die Wäsche machen oder dem Kind ein Mittagessen kochen. Flexibilität und Vereinbarkeit von Privatleben und Job sind Attribute, die perfekt in die heutige Zeit passen.
Ermöglicht Eigenverantwortung. Der Chef kommt alle zwei Stunden ins Büro und guckt einem über die Schulter. Pausenzeiten werden akribisch dokumentiert und jedes Mal kurz vor Feierabend wird abgefragt, ob man die Aufgaben, welche man sich für den Tag vorgenommen hat, denn auch geschafft hat. Diese Art der Unternehmensführung war und ist noch heute gang und gäbe. Wenn es gelingt, die alltägliche Arbeit in Eigenverantwortung und ganz ohne tägliche Kontrollen zu verrichten, sodass das Unternehmen und der Chef zufrieden sind, steigt auch die Zufriedenheit und Lebensqualität der Mitarbeiter. Unternehmer und Arbeitgeber haben plötzlich ein Werkzeug in der Hand, um das Profil eines gewöhnlichen Arbeitnehmers hin zu einem eigenständigeren und eigenverantwortlicheren Mitarbeiter zu wandeln. Das Ergebnis ist im Optimalfall eine große Anzahl selbstbewusster Arbeitnehmer, die nicht kontrolliert werden müssen, aber auch nicht immer gleich einen Nervenzusammenbruch bekommen, wenn es mal irgendwo hakt. Dies könnte in Zukunft ‚das neue Normal‘ sein. Veränderung braucht Mut und dieser wird häufig belohnt.
Schafft Ungleichheiten. Ganze Branchen können aufgrund ihrer Tätigkeit nicht aus dem Homeoffice arbeiten. Müllmänner, Pflegekräfte und Hafenarbeiter sind systemrelevant. Dies würde spätestens dann deutlich werden, wenn sie alle von heute auf morgen nicht mehr zur Arbeit erscheinen. Nicht jeder Lebensbereich ist und wird irgendwann einmal vollständig technisiert und digitalisiert sein. Wenn die Leute mit Bürojobs künftig gemütlich von Zuhause aus arbeiten dürfen und Millionen anderer Menschen niemals von diesem ‚neuen Normal‘ profitieren können, schafft dies Ungleichheiten und treibt einen neuen Keil in die eh schon polarisierte Gesellschaft.
Erschwert Work-Life-Balance. Die Trennung von Beruf und Privatleben wird zunehmend schwerer. Im klassischen Berufsbild musste zwar täglich der Schreibtisch im Unternehmen aufgesucht und der Chef zufriedengestellt werden. Nach der täglich zu leistenden Arbeitszeit war jedoch auch Schluss. Die Arbeit war vorbei, der Stift wurde fallen gelassen und der Fokus richtete sich komplett auf das Privatleben. Dies ist mit dezentralem Arbeiten nicht mehr so möglich. Grenzen zwischen Arbeitszeit und Privatleben verschwimmen zunehmend. Man arbeitet nicht mehr nach Stechuhr, sondern integriert die Arbeit, gewollt oder ungewollt, in das private Umfeld, in den privaten Ablauf und somit auch in die eigentlich private Gedankenwelt. Wollen wir das wirklich?
Egal, ob man Befürworter oder Gegner einer einheitlichen Homeoffice Regelung ist…deutlich wird, dass sich unsere Gesellschaft und das Arbeitsleben zurzeit massiv verändern. Auch die Homeoffice-Option ist dabei eine wichtige Stellschraube und eher Symptom als Ursache. Es gibt keine Patentlösung dafür, ob wir das Homeoffice pauschal als gut oder schlecht bewerten sollten. Vielmehr sollten wir uns alle zusammen grundlegende Gedanke über unsere eigene Rolle in einer modernen Welt machen und uns trauen, neue Wege zu denken und zu gehen. Nur so können wir uns auf eine sich wandelnde Arbeitswelt einstimmen und uns an neue Gewohnheiten und Regularien anpassen, ohne in Gefahr zu geraten, von unserem Beruf verschluckt zu werden.